„Ich bin die absolute Optimistin“
Gisela Wicke wurde mit dem Bundesverdienstkreuz geehrt. Die 72-jährige Gehrdenerin engagiert sich seit mehr als 30 Jahren für den Naturschutz, für Familien und Gleichstellung.
Von Hannah Grützner
Gehrden. „Ich bin aus Mut gemacht“: Ein Schild mit diesen Worten hängt in Gisela Wickes Küche. Ein Motto, das sie lebt. Seit mehr als 30 Jahren engagiert sich die 72-Jährige ehrenamtlich. Dafür wurde sie am Dienstag, 11. März, mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.
„Ich habe mich sehr gefreut, das ist klar“, sagt Wicke. Und als Frau habe sie sich besonders geehrt gefühlt. „Ich bin erst die achte Frau in Gehrden, die ausgezeichnet wird“ – von insgesamt 55 Bundesverdienstkreuzträgern aus der Stadt, wie sie selbst recherchiert hat.
Die Gleichstellungs- und Familienarbeit liegen Wicke am Herzen, genau wie der Natur- und Umweltschutz. Dafür hat sie sich auch beruflich entschieden: „Ich bin vor fast 40 Jahren nach Hannover gezogen für die Uni.“ Im Anschluss war die Diplombiologin 27 Jahre lang in der niedersächsischen Naturschutzverwaltung tätig.
Das habe ihr auch in ihrem Ehrenamt geholfen. So leitet Wicke beispielsweise seit 1995 die Ortsgruppe Gehrden/Benthe des Naturschutzbundes (Nabu), außerdem ist sie Parteimitglied bei den Grünen. Die Liebe zur Natur hatte sie schon in ihrer Kindheit. „Ich bin auf einem Bauernhof bei Kassel aufgewachsen. Dort musste ich nach der Schule immer raus aufs Feld.“ Besonders gern habe sie dort den Lerchen zugehört. „Den Gesang habe ich heute noch im Ohr“, sagt sie lächelnd.
Doch dann sei der Gesang weniger geworden, die Zahl der Lerchen zu 50 Prozent zurückgegangen. „Da habe ich gedacht, das kann doch nicht sein.“ Der Nabu erschien ihr deshalb als der richtige Ort, um sich zu engagieren. Seit 2023 ist Wicke auch die stellvertretende Vorsitzende des Nabu Niedersachsen.
Gemeinsam Ziele erreichen
Doch nicht alle Ziele lassen sich am Ende auch immer durchsetzen, sagt Wicke. „Ich bin die absolute Optimistin, was natürlich auch manchmal dazu führt, dass man manche Dinge unrealistisch einschätzt und dann eben Schiffbuch erleidet.“ So erinnert sie sich zurück an die Agenda 21. Ein Aktionsprogramm der Vereinten Nationen, das Leitlinien zur nachhaltigen Entwicklung für das 21. Jahrhundert setzen sollte und 1992 verabschiedet wurde. Über einige Punkte, für die sie sich damals einsetzte, denkt Wicke heute anders.
Dennoch schreitet die 72-Jährige immer weiter voran: „Wenn man im stillen Kämmerlein sitzt, kann man gar nichts erreichen, aber wenn man sich gemeinsam mit anderen auf den Weg macht, kann man der Motor sein und eine Menge erreichen.“
Dabei liegt Wickes Augenmerk schon lange nicht mehr nur auf dem Naturschutz. Ihr Herzensprojekt zurzeit: der Mehrgenerationen-Treff. „Wir sind hier ja noch im Aufbau.“ Auch wolle sie wieder eine Frauengruppe anschieben, die während Corona zum Erliegen gekommen sei. „Wir haben beispielsweise Kunstaktionen gemacht, um auf die noch nicht erreichte Gleichberechtigung aufmerksam zu machen. Sei es beim Lohn oder in der Kinderbetreuung.“
Die 72-Jährige ergänzt: „Wir müssen nur in andere Länder gucken, da geht das viel besser und einfacher.“ Auf Gehrden heruntergebrochen bedeutet die Gleichstellungsarbeit für Wicke: „Wenn Kitaplätze fehlen, setzen wir uns bei der Stadt dafür ein.“
Teil der Stadtpolitik ist Gisela Wicke mittlerweile auch selbst. Seit 2016 ist sie Mitglied im Rat der Stadt Gehrden und seit 2021 stellvertretende Bürgermeisterin. Zuvor war sie bereits Ortsbürgermeisterin in Everloh. Doch diese Schritte sei sie nicht gegangen, um noch mehr bewegen zu können. „Man kann auch außerparlamentarisch viel umsetzen“, sagt sie. Eine Erkenntnis, die sie durch ihr breites Engagement gewonnen habe. „Ich bin eigentlich in die Politik gegangen, weil ich gefragt wurde, ob ich Bürgermeisterin werden möchte. Aber ich wollte mich nicht auf eine Partei festlegen.“ Erst seit knapp vier Jahren sei sie nicht mehr nur parteiloses Fraktionsmitglied der Grünen, sondern selbst Mitglied. Das sei „konsequenter“.
Bei dem Treffen im Mehrgenerationen-Treff liegt ein Ordner vor Gisela Wicke, auf dem das Bundesverdienstkreuz bereits abgedruckt ist. Sie zeigt darauf und erzählt: „Wenn ich das Bundesverdienstkreuz habe, werde ich versuchen, es auf Papier zu bekommen. Das werde ich dann vervielfältigen und ausschneiden. Denn es können nicht alle geehrt werden, und so kann ich die mindestens einhundert Menschen, die es auch verdient hätten, so eine Ehrung zu bekommen, daran teilhaben lassen.“
Ob ihre Ehrung sie jetzt dazu bewegt, endgültig in Rente zu gehen? „Das kann ich mir nicht vorstellen“, sagt Gisela Wicke lachend. Stattdessen hat sie immer noch einen großen Wunsch. „Ich hatte wegen Tausender Projekte mit der EU-Kommission zu tun. In Brüssel als Expertin zu arbeiten, wäre noch mein absoluter Traum.“
Quelle: Calenberger Zeitung der HAZ, Gehrden/Ronnenberg vom 12.03.2025, Seite 1