Eine literarisch-musikalische Reise zur Erinnerung an die Bücherverbrennung 1933
Am 10. Mai 1933 verbrannten und verboten die Nazis Bücher von Erich Kästner bis Heinrich Mann. Mit einem musikalisch-literarischen Programm erinnerte das Trio Sonant auf Einladung der Demokratieinitiative Gehrden an das barbarische Geschehen. 50 Zuhörerinnen und Zuhörer zeigten sich am Samstagabend, den 10. Mai 2025, tief bewegt von der Aufführung im Jugendpavillon. „Das muss man erst einmal verdauen“, sagte eine Besucherin im Anschluss.




Lodernde Flammen gegen freies Denken
An den Anfang stellte das Trio die Aufzählung so bekannter Namen wie Bertolt Brecht, Rose Ausländer, Nelly Sachs, Erich Kästner, Kurt Tucholsky, Franz Werfel, Theodor Lessing, Franz Kafka und Erich Maria Remarque. 94 deutschsprachige und 37 ausländische Autorinnen und Autoren wurden damals geächtet, ihre Bücher in vielen deutschen Städten öffentlich verbrannt – zu den eifrigsten Feuerteufeln gehörten nicht nur die üblichen Parteigänger der Nazis, sondern zahlreiche „gebildete“ Hochschulangehörige.
Texte von Verlust und Trauer
Wie gingen die betroffenen Schriftsteller damit um, welche Folgen hatte das Verbot für ihr Leben, wie verarbeiteten sie die Bedrohung? In den nachfolgenden Texten aus ihren Werken, die Susanne Reerink sehr feinfühlig und prägnant vortrug, ist alles zu spüren: Unsicherheit, Ungläubigkeit, Verlust, Abschied, Fremdheit, Heimweh und Trauer, aber auch Unbeschwertheit, Freude über das Leben und die unberührte Natur. „Einst mir so freundlich und mir so feindlich heute!“, lässt Bertolt Brecht ein Pferd in „Oh, Fallada, die du hangest“ über die Leute klagen, die ihm früher Futter brachten und jetzt das Fleisch von den Rippen reißen wollten. „Plötzlich waren sie wie ausgewechselt“. Da wird sie sichtbar, die Gefahr, wenn jemand blind einer Ideologie folgt und vor lauter Hass jede Menschlichkeit vergisst.
Verbrennt mich
„Verbrennt mich“, forderte hingegen der bayerische Schriftsteller, Sozialist und Pazifist Oskar Maria Graf in einem Brief an die Machthaber, als er seinen Namen nicht auf der Schwarzen Liste entdeckte. Er fand es ehrenrührig, nicht zu den Geächteten zu gehören, waren unter ihnen doch die größten Freigeister und bekanntesten Autoren seiner Zeit. Wie sich später herausstellte, stand er sehr wohl auf der Liste, allerdings wurde er aufgrund eines Missverständnisses zugleich von den Nazis zur Lektüre empfohlen.
Im Exil
Viele der unter den Nazis verfolgten Schriftsteller flohen ins Ausland oder nahmen sich das Leben. Wie einsam und verzweifelt sie waren, wird im Gedicht von Rose Ausländer deutlich. „Ein Tag im Exil, wo die Stunden sich bücken, um aus dem Keller ins Zimmer zu kommen“. „Wir haben keinen Freund auf dieser Welt. Nur Gott, den haben sie mir vertrieben“, heißt es bei Mascha Kaléko in „Überfahrt“.
In die Schwermut mischte sich zum Glück auch Heiteres, so dass das Publikum im Jugendpavillon zwischendurch aufatmen konnte. „Ich freue mich, dass ich bin“ schreibt Mascha Kaléko in „Sozusagen grundlos vergnügt“. Bei Ringelnatz heißt es: „Ich bin so knallvergnügt erwacht.
Ich klatsche meine Hüften. Das Wasser lockt. Die Seife lacht. Es dürstet mich nach Lüften.“ Oder auch: „Ich habe dich so lieb! Ich würde dir ohne Bedenken, eine Kachel aus meinem Ofen
schenken.“ Die Liebe gab den Verfolgten und Vertriebenen Halt.
Beeindruckende Aufführung in Wort und Klang
Mit Musik von ebenfalls verbotenen Komponisten umrahmten die drei Künstlerinnen und Künstler die Textpassagen. Aurelia Martens am Cello, Guntram Sellinger an der Trompete und Susanne Reerink mit Geige und Gesang spürten der jeweiligen Stimmung nach, melancholisch in den Präludien von Mieczyslaw Weinberg, beschwingt in Liebesfreud und Liebesleid von Fritz Kreisler und dramatisch im Vorspiel zu Richard Wagners Meistersingern. Sowohl im Solo- als auch im Zusammenspiel bewiesen die Drei überragende Qualität. Den umfangreichsten Part übernahm an diesem Abend Susanne Reerink, die alle Texte mit bemerkenswerter Klarheit sprach, Geige spielte und sang. Für ihr Lied der Seeräuber-Jenny aus Brechts Dreigroschenoper („Und das Schiff mit acht Segeln und mit fünfzig Kanonen wird beschießen die Stadt „) bekam sie einen Sonderapplaus.
Wie sehr sind heute eigenständiges Denken und freie Meinung gefährdet, fragt man sich angesichts von erschreckend lauten Parolen und Hasstiraden gegen Fremde und Andersdenkende. „Es ist geschehen, folglich kann es wieder geschehen“, warnte der italienische Schriftsteller und Auschwitz-Überlebende Primo Levi. Das Programm von Trio Sonant führte vor Augen, was damals passiert ist.
Fotos:
Aurelia Martens am Cello
Susanne Reerink spricht alle Texte
Profi an der Trompete -Guntram Sellinger
Das Trio Sonant: Susanne Reerink, Aurelia Martens und Guntram Sellinger (v. li)